Dienstag, 18. Mai 2010

Arbeitsweg

Das Hupen klingt aergerlich. Ein panzerartiger Porsche faehrt ihm fast ueber die Fuesse, als er die Strasse ueberquert. Fussgaenger haben schlechte Karten. Eine ausufernde Automobilitaet traegt zu der rastlosen Energie bei, die das moderne China kennzeichnet. Muehsam setzt er seinen Weg fort. Ueber zerbrochene Gehwegplatten. Vorbei an kreuz und quer geparkten Fahrzeugen, die den Weg zum Fluss zum Hindernislauf machen. Auf einmal macht beissender Qualm das Atmen schwer. Ladenbesitzer haben kleine Metalloefen vor ihre Tuer gestellt, befeuert und kochen nun ihr Sueppchen direkt vor dem Geschaeft. Eine fast doerfliche Szene inmitten der Millionenmetropole Ningbo. Niemanden stoerts. Alltag. Der Fluss ist fast erreicht. Vorbei an einem Areal, das einer Mondlandschaft gleicht. Dampframmen lassen die Erde erzittern. Hier entstehen neue Apartments. "New Sea View Garden". Typisch chinesisch. Etwas euphemistisch, denn nur wenige werden einen Blick auf das Wasser werfen koennen. Aber immerhin ist gegenueber, am anderen Ufer, das Ningbo Grand Theater. Eine aeltere Dame kommt vorbei, im Schlafanzug, den Auslaender unverhohlen musternd. Ihr kleiner Koeter kackt ungeruehrt gegen den Zaun. Dann vertraute Geraeusche. Lautstark hochziehen, Rotz gurgeln und ausspucken. Er hatte gerade gefruehstueckt. Gott sei Dank ist der Fluss fast erreicht. Ab hier wird der Arbeitsweg angenehmer.

Sonntag, 18. April 2010

Si Ming Shan

SiMingShan

Eine Autostunde entfernt von Ningbo liegen die Si Ming-Berge. In Serpentinen schlaengeln sich die Strassen bis zum Gipfel, wo atemberaubende Panoramen warten. Vorbei an Bambuswaeldern, Wasserfaellen und kleinen Doerfern, in denen die Zeit stehengeblieben scheint, entspannen Ruhe, gute Luft und beruehrende Anblicke den gestressten Grossstaedter. Und im Tal, wie eine Perle inmitten einer wunderschoenen Muschel: Ein gestauter See, das Trinkwasserreservoir fuer die Stadt Ningbo.

Mittwoch, 14. April 2010

Chinesen lieben's laut

Manche moegen's heiss, Chinesen lieben' s laut. Ein manchmal recht unangenehmer Kulturunterschied. Zum Beispiel im Restaurant, wenn ein Chinese am Nachbartisch in sein Handy bruellt und jedermann im Raum zum unfreiwilligen Mithoerer macht. Nicht nur, dass es den Tischnachbarn nicht interessiert, was der Maulheld zu schreien hat. Es ist auch unmoeglich, das eigene Gespraech ungestoert fortzusetzen. Erst nach Androhung koerperlicher Gewalt maessigt sich der Schreihals. Etwas.

Wuerde man die Hupe aus chinesischen Fahrzeugen zwangsentfernen, verloeren die Automobilisten augenblicklich die Freude am Fahren. Wetten? Ein bedenkenswerter Beitrag zum Umweltschutz. Denn es braucht nur eine Handvoll chinesischer Autofahrer, eine Prise Elektrobike-Fahrer und einen kleinen Schuss Fussgaenger, um ein gepflegtes Verkehrschaos anzurichten. Hupkonzerte begleiten jedes Fahrmanoever. Besonders beliebt: die naechtlichen Heimkehrer, die vor verschlossener Schranke so lange ins Horn stossen, bis auch der letzte Schlafende im Apartmentgebaeude wach ist. So erhaelt das Wort "lautstark" eine neue, typisch chinesische Note. In solchen Naechten wuenscht sich auch der friedensbewegte Vegetarier: Pumpgun statt Pumpkin. Doch leider stehen die Zeichen auf Kollaps statt auf Verkehrsberuhigung. Ruecklicht statt Ruecksicht lautet die Devise.

Laermgeplagter Laowei, so merke denn auf: Solltest Du ein ruehebeduerftiges Weichei und Dein Nervenkostuem nach der akustischen Umweltverschmutzung ramponiert sein, lass Dir Ohrstoepsel implantieren oder sichere Dir rechtzeitig einen Platz in der Klapsmuehle. Bevor die Immobilienblase auch diese Fluchtburg unbezahlbar macht!

Donnerstag, 8. April 2010

Heng Dian

Heng Dian

Eine willkommene Abwechslung. Statt Unterricht, ein Ausflug nach Heng Dian, dem Babelsberg der Provinz Zhejiang. Die ganze Schule ist auf Achse. Eine stattliche Zahl von Bussen saeumt die Strasse. Eine logistische Leistung, gemeistert mit Hilfe von Handy und grosser Gelassenheit. Nachdem aufgeregte Schueler und gestikulierende, ihre Schaefchen zaehlende Lehrer auf die Fahrzeuge verteilt sind, setzt sich der Konvoi in Bewegung. Zweieinhalb Stunden Fahrt, vorbei an Bergketten, welche die Landschaft um Ningbo praegen. Terrassenfoermig angelegte Felder, kleine Ortschaften. Auch die Sonne hat sich entschlossen, am Ausflug teilzunehmen. Dann Heng Dian. Ein ganzes Tal voller Potemkinscher Doerfer. Auf vielen Quadratkilometern koennen Strassenszenen aus dem alten China oder ein Monumentalschinken ueber die verbotene Stadt gedreht werden. Kuenstlich-kitschige Traumfabrik wechselt ab mit landschaftlichen Kleinoden voll beruehrender Schoenheit. Am Ende des Tages hat sich nur ein Traum der Schueler nicht erfuellt: Einem leibhaftigen Star die Hand zu schuetteln und ein Autogramm zu ergattern.

Samstag, 27. März 2010

Fruehlingsgruesse

Tao Hua

Eine knappe Autostunde suedwestlich von Ningbo liegt Fenghua. Pfirsichbaumplantagen schmiegen sich an die Berge, die Ningbo umgeben. Im Fruehling bluehen die Tao Hua buchstaeblich alles nieder. Der Exil-Hamburger fuehlt sich an die Apfelbluete im Alten Land erinnert.

Donnerstag, 4. März 2010

Alltagsbeobachtung

Mitten im tosenden Verkehr, eingehuellt in eine Smogwolke, stehen sie auf ihrem Podest. Die Trillerpfeife im Mund, versuchen sie tapfer dem Chaos Herr zu werden. Meist vergeblich. Ein Kampf gegen jaehrlich zunehmende Automassen, der nicht zu gewinnen ist. Sehr zur Freude der deutschen Autoindustrie, deren Absatzzahlen eigentlich nur noch in Asien steigen. Vor allem in China. Da stehen sie nun, wie einsame Soldaten auf verlorenem Posten. Keiner nimmt sie so richtig Ernst. Fussgaenger und E-Bike-Fahrer draengeln sich dreist an ihnen vorbei, ihre schrillen, stossweisen Pfiffe ignorierend. Autoritaet ist, wenn man drauf pfeift.Verkehr in China. Kampf ums Dasein. Jeder gegen jeden. Nur der Staerkere darf sich fortbewegen. Da helfen keine Ampeln. Oder Regeln. Und keine Verkehrspolizisten.

Samstag, 27. Februar 2010

PuTuoShan

Monk in PuTuoShan

Menschenandrang in PuTuoShan. Die Moenche wenden sich ab von dem Spektakel. Erdulden stoisch die Ruhestoerung. Denn die buddhistischen Tempel in China haben ganz irdische Sorgen: Sie brauchen Geld.

Mittwoch, 24. Februar 2010

Hen duo ren

Hen duo ren

"Urlaub", dritter Versuch. Nach einem Tag am nebelverhuellten Westsee in Hangzhou und sechs Tagen Sonne satt auf Hainan, nun ein Ausflug nach Pu TuoShan. Die Insel, die eines der vier bedeutendsten buddhistischen Heiligtuemer Chinas beherrbergt, ist zweieinhalb Stunden von Ningbo entfernt.

Als Teil einer rein chinesischen Reisegruppe beginnt alles im Bus. Nan Zhan (Suedbahnhof), Hotel Fu Bang. Die Reisenden werden eingesammelt. Es geht nur langsam voran. Stop and Go.Waehrenddessen redet die Reiseleiterin ununterbrochen. Das ermuedet, weil er nur wenige Worte versteht. (Schnitt)

Nach fast einer Stunde in einer zugigen Wartehalle in ZhouShan (siehe Foto) und Gruppendynamik im Gaensemarsch (alle laufen hinter der Fuehrerin und ihrer gelben Fahne hinterher, Konrad Lorenz laesst gruessen) die niederschmetternde Nachricht: " Faellt aus wegen Nebel!" Buchstaeblich. Das schlechte Wetter macht es den Schiffen unmoeglich auszulaufen. Unglaeubig lauscht er der Durchsage. Die ganze Gruppe wird in den Bus verfrachtet und in ein Restaurant gekarrt. Lunch. Es hat den Charme der Wartehalle eines Grossflughafens. Laut, zugig, Massenfuetterung der Raubtiere. Und kalt ist es auch hier. Ein Anruf im Reisebuero beruhigt nicht wirklich. Man versichert ihm, dass es nach dem Essen moeglich sei, nach PuTuoShan zu gelangen. (Schnitt)

Auf der Insel angekommen. Auf der ueberfuellten Faehre konnten sich die Reisenden mit Bordvideos von buddhistischen Zeremonien einstimmen. Auf eine weitlaeufige Tempelanlage. Auf eine gigantische Buddhastatue. Und sehr, sehr viele Menschen. Seine religioesen Gefuehle halten sich in Grenzen. Das ganze aehnelt mehr dem Betriebsausflug einer Weltfirma, denn einer Wallfahrt. So muss es den Muslimen in Mekka ergehen. Gebete werden gesprochen, Raeucherstaebchen entzuendet und Fotos geschossen. Gern mit gefalteten Haenden. Schliesslich braucht man ja ein Beweisfoto fuer seine religioese Reise. Hen duo ren. Und Buddha laechelt milde.

Dewen Laoshi

Als Deutschlehrer in China

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