Donnerstag, 10. September 2009

"Dewen Yufa hen nan"

Heute wird in ganz China "Der Tag des Lehrers" gefeiert. Das grosse Ereignis warf schon gestern seine Schatten voraus: Die Schule schenkte den Lehrern ganze Kiepen voll herrlichen Obstes (haochi = lecker, wie der Lateiner sagt), Schuelerinnen ueberreichten Blumen und am Abend gab es eine zweistuendige Gala-Show voller grosser Gefuehle inklusive Taenzern und schmetterndem Heldentenor im oertlichen Theater. Auch heute Blumen schon beim Betreten der Schule und Schueler, die ihren Lehrern Geschenke ueberreichen. Suess war nicht nur die Schuelerin, sondern auch das Stueck Torte, dass sie ihm zwischen zwei Unterrichtsstunden in die Hand drueckte. Anerkennung fuer die manchmal nervenaufreibenden und schweisstreibenden Bemuehungen, einer Klasse von 40 Anfaengern die deutsche Sprache beizubringen. Im permanenten Kampf gegen den Laerm der Klimaanlage. Ohne Netz und doppelten Boden, dafuer in Englisch. Fremde Sprache nicht nur fuer den Deutschen, sondern auch fuer die chinesischen Pennaeler. "Dewen Yufa hen nan", die deutsche Grammatik ist schwierig...

Dienstag, 8. September 2009

China bewegt sich

Sechs Uhr morgens. Buchstaeblich die halbe Bevoelkerung ist auf den Beinen. Fruehsport. Vor der Hitze des Tages machen Jung und Alt ihre Leibesuebungen. Man sieht Tai Chi als normale, als Faecher- oder als Schwertform. Da gibt es anmutige Jongleurinnen, die mit Seil und Huetchen Erstaunliches zu Wege bringen. An anderer Stelle wird getanzt, unueberhoerbar durch den quaekenden Gettoblaster, der neben den Uebenden steht. Manche machen einfach nur Gymnastik oder beklopfen ihren Koerper, um das Chi (= die Lebensenergie) in Fluss zu bringen. In den Gruenanlagen, unter Baeumen, an den Flussufern: China bewegt sich.

Mit leichtem Neid registriert er, welche Leistungen gerade alte Menschen noch vollbringen. Zum Beispiel Rumpfbeugen bei durchgestreckten Beinen. Dem saturierten Westler schmerzt nur beim Zusehen der Ruecken. Die offenbar lebenslange Disziplin zahlt sich aus. Beweglichkeit bis ins hohe Alter.

Sehr beliebt ist auch das Rueckwaertsgehen. Dabei ist China eine der Nationen, in der es am schnellsten voran geht...

Sonntag, 6. September 2009

Bildungsbetriebsamkeit

Nach einer Woche voller Anstrengungen: die ersten ruhigen Momente. Bilder huschen wie Blitzlichter durch das Hirn. Erhellen Gedanken, Geschehenes, Gespraeche. Ist das alles erst wenige Tage her?

Marschierende Schueler in Uniformen, Fahnenappell, schmissige Musik schallt aus Lautsprechern. Dazu die obligatorischen Reden: gute Wuensche, Ermahnungen, Parolen. Alles auf chinesisch. Zum einen Ohr herein...

A propos Ohr: Es herrscht ohrenbetaeubender Laerm in der Schule. Verursacht durch Strassenverkehr, schreiende Schueler und das permanente Surren der Ventilatoren, die wie Hubschrauber klingen. Apokalypse wow! Die Klimaanlagen kaempfen tapfer gegen die schwuele Hitze. Vergeblich. Nach kurzer Zeit klebt die Kleidung am Koerper wie eine zweite Haut. Dazu das Gefuehl, in Kreide gebadet zu haben.

Hinzu kommen die Kleinkariertheiten, die es wohl in jeder Behoerde der Welt gibt und die das Arbeitsleben sauer werden lassen. Kopier-Raum: verschlossen. So wie der Blick des Dienstmannes, der ihm bedeutet: "Keine Schluessel!" Einen eigenen gibt es nicht. Der auslaendische Lehrer moege seinen Kopierauftrag rechtzeitig an den zustaendigen Fachlehrer weiterleiten, der dann die Erledigung veranlasst. Dazu Ermahnungen und unverhohlene Drohungen durch die Parteisekretaerin. Man werde unangemeldete Unterrichtskontrollen durchfuehren, um die Arbeit der Auslaender zu ueberwachen. Die Kaelte ihrer Augen entspricht der einer scharfen Klinge, die erbarmungslos herabzischt. Ab jetzt heisst sie "Mrs. Blade".

Ganz das Gegenteil: Prinzipal Yu. Der Dolmetscher macht es unmissverstaendlich: "Boss!" Ein hagerer Mitsechziger mit ruhiger Ausstrahlung und freundlicher Stimme. Mit gespielter Entruestung unterrichtet er die Anwesenden darueber, dass er sehr wohl zur Kenntnis genommen haette, dass die allgemeine Aufmerksamkeit waehrend der Eroeffnungszeremonie nicht ihm oder seiner Rede, sondern den neuen auslaendischen Lehrern gegolten habe. Er sei richtig eifersuechtig gewesen.

Die neuen Lehrer erhalten teure Wilkommensgeschenke: Schweinslederne Schreibmappen in drei Groessen. Verziert mit dem Logo der Schule. Dazu ergeht die Einladung zu einem Mahl im Fuenf-Sterne-Restaurant am Ende des Monats. Anlass ist der sogenannte "Tag des Lehrers".

Sonntag, 30. August 2009

Fielmann auf Chinesisch

Wie eine Horrorvision zum Gluecksfall wurde. Welcher Brillentraeger fuerchtet das nicht: In einem fremden Land und die Sehhilfe geht kaputt. Da liegt der jetlaggende Muedling auf dem Bette und geniesst schoene neue, chinesische Musik. So entspannt packt ihn der Uebermut und schwungvoll erhebt er sich von der Lagerstatt. Leider, leider hat er dabei sein Nasenfahrrad buchstaeblich aus den Augen verloren. Ein knackendes Geraeusch laesst Boeses erahnen und bums... ist die Brille hin, verbogen, ein Glas raus, alles Scheisse, Deine Emma!

Nachdem das HB-Maennchen wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet ist: Innere Krisensitzung. Sofortige Massnahmen sind angezeigt. Da wird am Sonntag(!!!) zum Tian Yi-Platz aufgebrochen, voller Hoffnung auf Hilfe. Und die ward dem Suchenden zuteil, liebe Gemeinde, halleluja! Sein Weg fuehrte ihn zu einem Optiker mit innenliegendem Augenarzt. Als er sein Anliegen vorbrachte, war er genauso geknickt wie seine Brille. Hoeret, was dann geschah. Eine freundliche junge Dame geleitete ihn zu einem bequemen Sitz, nahm die Brille in ihre Obhut, um dann in den Tiefen des geraeumigen Ladens zu verschwinden. Eine andere holde Maid brachte dem Erschoepften einen Becher Wasser. Keine zehn Minuten spaeter kommt ein junger Mann vorbei und drueckt dem unglaeubigen Thomas (na gut, er heisst Horst-Christian) seine Brille repariert wieder in die Hand.

Nachdem sich ihm erschlossen, was da gerade passiert war, geht er flugs hinterher und fragt: "Duo shao qian? (Was kostet das?)" Der Mann wehrt freundlich laechelnd ab und freut sich an seiner ploetzlich aufstrahlenden Miene (Sie wissen schon, die, bei der die Mundwinkel in gefaehrliche Naehe der Ohren geraten). "Xie, xie", stammelt er und ringt um Fassung, die morgens noch entzwei war.

Freitag, 28. August 2009

Vertrieben aus dem Paradies

Einkaufsparadies heisst auf Ningbonesisch: Tesco. Ein gewaltiger Supermarkt, mitten in der Stadt. Gelegen am wasserumsaeumten Tian Yi - Platz, dem gefuehlten Zentrum Ningbos. Schon am Eingang nimmt der Besucher dankbar die angenehme Kuehle wahr. Dienernde Mitarbeiter haben sich strategisch guenstig neben der Rolltreppe postiert, um dem geschaetzten Gast ein Faltblatt mit den neuesten Angeboten an die Hand zu geben. "Wo bu ke yi kan hanzi", wehrt der Auslaender die Offerte ab. "Ich kann keine chinesischen Schriftzeichen lesen". Doch das erweist sich zunehmend als Problem, da die Bilder, die auf Verpackungen prangen, nicht unbedingt dem Inhalt entsprechen. Zuhause wird er sich aergern, schon wieder etwas Unnuetzes gekauft zu haben. Fehlkauf, das Los des Fremdlings. So ringt der Okzidentale um Orientierung inmitten des geschaeftigen Treibens. Im Takt der Berieselungsmusik tanzen Kunde und Einkaufswagen einen Pas de deux, der Choreographie des Konsumtempels folgend, waehrend sich riesige Regalwaende mit Sondertischen abwechseln. Das Feilgebotene erheischt sofortige Aufmerksamkeit, quillt dem Suchenden aufdringlich entgegen. "PROMOTION!" bruellen grosse Buchstaben. Zum Glueck nicht auf Chinesisch.

Erst sehr viel spaeter, als die noetigsten Beduerfnisse befriedigt sind, als die Kasse wie eine bewachte Grenze passiert ist, als die Hitze wie eine Flammenhoelle auf den Koerper des Kaeufers prallt, erst spaeter reift die Erkenntnis: so muss es sich anfuehlen, aus dem Paradies vertrieben zu werden. Aepfel gehoerten nicht zum Einkauf.

Dienstag, 25. August 2009

"Bu yong xie"

Nach zwei intensiven Tagen China sind es auch zwei widerstreitende Eindruecke, die alles beherrschen: die Ruecksichtslosigkeit auf der Strasse und als Gegensatz dazu: eine Hilfsbereitschaft, die alles Gekannte in den Schatten stellt.

Der Verkehr in Ningbo ist moerderisch. Aus dem Blickwinkel des Deutschen, der aus dem Land des defensiven Fahrens kommt, tobt ein erbitterter Krieg auf den Strassen. Fahhrad und Moped gegen Fussgaenger und Autos gegen alle. Verkehrszeichen? Kann-Bestimmungen. Hupend und die Kreuzung waghalsig schneidend, bricht sich buchstaeblich der Staerkere Bahn. Eine neue Massnahme gegen die Bevoelkerungsexplosion? Wie vertraegt sich diese aggressive Ruecksichtslosigkeit mit der Harmonie, die in China hochgeschaetzt wird?

Ganz das Gegenteil: Manche Menschen. Da ist das chinesische Paar, das dem verschwitzten, schwer schleppenden Auslaender schon am Flughafen anbietet, ihn von Shanghai nach Ningbo zu begleiten, ihm in bruetender Hitze den Busbahnhof zeigt und darueber hinaus bei der Fahrkartenbeschaffung Dolmetscherdienste leistet. Waehrend der dreistuendigen Fahrt erkundigen sie sich fuersorglich, ob er denn den Waschraum besuchen wolle. Und sie ruhen nicht eher, bis sie den dankbaren Reisenden in ein Taxi gesetzt und den Fahrer instruiert haben.

Da ist der Nachbar, der den voellig Erschoepften in seine Wohnung bittet und ihm einen Eistee anbietet. Das sie einander nicht verstehen koennen, tut seiner freundlichen Anteilnahme keinen Abbruch. Genauso wie bei der Verkaeuferin, die sich intensiv bemueht, das stammelnd und in stolperndem Chinesisch vorgetragene Anliegen zu verstehen und zu erfuellen. Sie kroent ihr Handeln, indem sie den Ortsunkundigen in das naechste Kaufhaus eskortiert, Bettler auf der Strasse energisch abwimmelnd, und sich erst verabschiedet, als die Einkaufswuensche erfuellt und die Tragetasche gefuellt ist. Jeden Dank abwehrend deutet sie eine Verbeugung an. Ihre Gesten vermitteln: "Das ist doch selbstverstaendlich!" Oder auf Chinesisch: "Bu yong xie", was nicht nur "Nichts zu danken" heisst, sondern auch "Du bist willkommen!"

Freitag, 17. Juli 2009

"Z" wie Zuo

zvisa

Der Countdown läuft. T minus fünf Wochen. Heute: eine weitere Hürde genommen. Im Konsulat. Die Dame hinter der Glasscheibe sieht ihn nicht an, sagt nichts (Ausländer können sowieso kein Chinesisch) und zeigt nur stumm auf die Zahl, die im Display ihrer Kasse rot aufleuchtet. Klarer Deal: Ein Visum für 30 Euro. Einmalige Einreise, drei Monate Gültigkeit. In der Hoffnung, sie etwas zu verblüffen, sagt er: "Xie xie, zai tian!" (Danke, auf Wiedersehen). Keine Reaktion.

Erst zu Hause nimmt er sich Zeit, das Dokument, das jetzt seinen Pass ziert, genauer zu betrachten. Dasselbe Zeichen, wie im Stempel auf der vorläufigen Arbeitserlaubnis. Eine rote Sonne und Sterne stehen über der chinesischen Mauer. Er nimmt es als gutes Omen für eine goldene Zukunft. Das Z im Visum steht allerdings nicht für Zukunft, sondern für Zuo. "gongzuo" heisst im Chinesischen "Arbeit". Noch fünf Wochen. Hermann Hesse kommt ihm in den Sinn: " Nimm Abschied Herz und gesunde!"

Mittwoch, 8. Juli 2009

"zhong guo wo lai le!"

WorkPermit

Gerade noch hatte er Berichte über Unruhen in Xinjiang gelesen. Über den Aufstand der Uiguren. Da klingelt es an der Tür: Der Vertrag ist da. Nun ist es amtlich. Mitte August geht es nach China. In eines der widersprüchlichsten Länder dieser Erde. Schwellenland und Supermacht in einem. Wie wird es sich leben und arbeiten lassen in einem Staat, der Harmonie zum höchsten Gut erhebt und bei der kleinsten Störung mit harter Hand reagiert? Die offizielle Einladung verweist auf die viele tausend Jahre alte Kulturnation. Rote Stempel, rote Schriftzeichen - schön und fremdartig zugleich. Eine Mischung aus Peking-Oper und kalligraphischer Kunst. Ein Arbeitsvisum zu beantragen ist eher Kulturrevolution. Hier zeigen sich Züge eines ausufernden Bürokratismus, der deutschen Beamten das Herz im Leibe hüpfen ließe. Zum Beispiel der geforderte Gesundheitscheck. Nein, er hat keine Syphilis, kein AIDS, keine Tbc. Auch mit Cholera oder einer Psychose kann er nicht dienen. Das Ganze so umfangreich wie bei Christiano Ronaldo vor Amtsantritt bei seinem neuen Arbeitgeber. Aber hier geht es nicht um Spanien, sondern um China. Und nicht um einen Fußballstar, sondern um einen Deutschlehrer. Vom Gehalt ganz zu schweigen. Zumal jetzt schon klar ist, dass die ganze Prozedur in China wiederholt wird. Samt Röntgenstrahlenbeschuss und unfreiwilliger Blutspende. Wohlgemerkt: Nach der einwöchigen Quarantäne wegen möglicher Schweinegrippe. Die Befunde deutscher Ärzte könnten ja gefälscht sein. Die Volksrepublik schützt ihre Bürger. Schliesslich hat man schlechte Erfahrungen mit “laowai” (Ausländern). Man denke nur an die Briten und die Opiumkriege. Seufzend beugt er sich dem bösen Spiel. Schließlich geht es darum, vor dem fünfzigsten Geburtstag noch ein Abenteuer zu erleben. Eigenes, selbst erlebtes Wissen zu sammeln über eine aufstrebende Nation. Anzuknüpfen an die Faszination Fernost aus der fernen Kindheit. Die Strapazen werden bald vergessen sein: “Zhong guo wo lai le” (China, ich komme!)

Dewen Laoshi

Als Deutschlehrer in China

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Zai jian Zhong Guo!
Das Schlusswort, in Shanghai auf dem Flughafen sitzend,...
weihouke - 27. Jan, 11:04
Der Zukunft entgegen
Der letzte Arbeitstag. Die Backfische aus der 10er-Klasse...
weihouke - 20. Jan, 00:14
Kugeln
weihouke - 24. Dez, 09:51
Darf es ein Eis sein?
Normalerweise ist das einzig rote in China der 100...
weihouke - 19. Dez, 09:21
Der Anfang vom Ende?
In den vergangenen Monaten beleuchtete dieses Blog...
weihouke - 28. Nov, 05:36

Links

Suche

 

Status

Online seit 5858 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 9. Nov, 17:03

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren