Samstag, 19. September 2009

Betriebsausflucht

Was fuer ein Kontrastprogramm. Er sitzt am Fenster im 16. Stock des Luxushotels "Dapengshan", eine Autostunde von Ningbo entfernt. Nach einem Wannenbad in wohlduftenden Essenzen, in einen weichen Bademantel gehuellt, behaglich eine Tasse Kaffee schluerfend, mit einem herrlichen Ausblick auf einen gruen schimmernden See, gesaeumt von einer bewaldeten Berglandschaft.

Die Schule hatte alle Stundenplaene geaendert. Einige fielen aus, andere wurden schnurstracks in die fruehen Morgenstunden verlegt. Betriebsausflug in einen Vergnuegungspark stand an. "So eine Art Disneyland" hatte Lei Lei, seine Ansprechpartnerin, gesagt. Und das lag nun zu seinen Fuessen. Draussen schien es zu nieseln. Hier, hoch oben, unterbrach nur das Rauschen der Klimaanlage die himmlische Ruhe. Er verspuerte so gar keine Lust, seine wunderbare Aussicht fuer das Touristenspektakel da unten aufzugeben.

Diesen unverhofften Luxus hatte er sich redlich verdient. Die vergangene Woche war anstrengend gewesen. Schlecht geschlafen, viel Arbeit, dazu der feuchtheisse Mief, der die Kleidung am Koerper kleben liess und so gar keine Lust auf das naechste Einatmen machte. Und erst die schaebige Unterkunft mit den alten Moebeln, dem viel zu kurzen Bett und einer flitzflinken Schabe als Haustier. Oder Mitbewohner? Einmal hatte er sie erwischt, obwohl sie jeden Winkel geschickt zu ihrer Deckung nutzte, waehrend sie vor ihm floh. Da er es nicht uebers Herz brachte, sie umzubringen, warf er sie kurzer Hand aus der Wohnung. "Weiche hinweg von mir, Daemon!" Am naechsten Tag, als er arglos die Tuer oeffnete sauste etwas blitzartig zur Tuer herein und verschwand in einer Spalte des alten Gemaeuers. Die Schabe war wieder da. Wahrscheinlich hat sie einen Mietvertrag.

Und nun, in kulturschockierendem Kontrast dazu, ein riesiger Raum. Gediegenes Ambiente, feinste Keramik. Diverse Toilettenartikel laden, fein saeuberlich aufgereiht, zum Benutzen ein. Obst und Snacks auf dem Wohnzimmertisch, ein Wasserkocher fuer Tee oder Kaffee, Gebaeck. Sogar ein Buegelbrett nebst Buegeleisen findet sich in dieser Traumunterkunft. Fast 1000 Yuan pro Uebernachtung. Davon muessen einige Menschen einen Monat leben. Aber was solls: "Man goennt sich ja sonst nichts!" Die Schule bezahlt und drueckt so ihre Wertschaetzung fuer ihre Lehrer aus. Dinner ist um sechs. Wo ist bloss der Smoking...

Dewen Laoshi

Als Deutschlehrer in China

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