Freitag, 27. November 2009

Energietransfer

Ploetzlich stand er vor ihm. Ein Moench. Gross, jung, sehr hager. Mit geschorenem Schaedel. Zeigte auf einen Zettel voller Schriftzeichen. Der Westler bedeutete ihm, dass er sie nicht lesen koenne. Offensichtlich bot der Moench Dienstleistungen an. Moenche wurden von ihren Kloestern oft auf Betteltour geschickt. Als spirituelle Uebung. Das gehoerte zur Ausbildung. Jedenfalls ergriff er die Hand des Westlers, fuehlte seinen Puls, murmelte etwas und ging um ihn herum. Dann hob er die Jacke an, zog das Hemd hoch, konzentrierte sich und vollfuehrte eine Uebung, die jedem Kungfu-Film alle Ehre gemacht haette. Er sammelte Energie, konzentrierte sie in seinem gestreckten Finger und bohrte diesen dann dem verdutzten Westler in den Ruecken. Und der spuerte fast sofort die Energie als wohlige Waerme fliessen. Dann holte der Moench zwei Papierheftchen hervor, die etwas Heilendes enthalten mussten, erwaermte sie mit seinen Haenden und klebte sie an die zuvor punktierten Stellen. Dann praesentierte er dem Ueberrumpelten eine Art Preisliste. Der Westler erbleichte. Mit seinen paar Brocken Chinesisch versuchte er dem Moench zu erklaeren, dass er nur noch 25 Yuan bei sich haette, weil heute Zahltag in der Schule sei. Inzwischen waren zwei Kollegen des Moenchs dazugekommen und machten dem Westler klar, dass sie weit mehr Geld erwarteten. Dem Westler war das sehr peinlich. Heilige Maenner ueber den Tisch zu ziehen, wenn auch unbeabsichtigt, war seine Sache nicht. Mit Haenden und Fuessen teilte er den Moenchen mit, dass er zu seiner Schule gehen, Geld holen und zurueckkehren werde. Das Gesicht des Moenchs hatte sich verfinstert. Er fuerchtete wohl umsonst gearbeitet zu haben. Dann gab er dem Westler resigniert die Hand und liess ihn ziehen. Um es kurz zu machen: Das Universum verhinderte schlechtes Karma. Es liess den Westler mit Geld zurueckkehren, die Truppe wiederfinden und den Moench bezahlen. Der Moench schenkte ihm noch ein Armband mit Holzperlen auf denen Buddha abgebildet war - rund und laechelnd!

Dewen Laoshi

Als Deutschlehrer in China

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