Gluecksversehrt
Kaum hatte er seine dringende Bitte nach einer neuen Unterkunft geaeussert, war sie schon erfuellt. Sie hatte ihn angerufen und gesagt: "Ich fahre Dich herum. Schau Dir Appartments an." Und ehe er sich versah, war er auf Besichtigungstour - mit Maklerin im Schlepptau. Zwei Stunden spaeter wurde der Mietvertrag geschlossen. Fuer eine neue, ruhigere und bessere Unterkunft - rechtzeitig vor Einbruch des Winters. Er war gluecklich. Sprachlos. Wollte ihr danken. Wusste nicht wie. "Jeder Deiner Tage in Ningbo soll ein schoener Tag sein". In holprigem Englisch sagte sie diesen Satz, als waere er nichts Besonderes. Ihm war ganz schwindlig. So - viel - Glueck! Er fuehlte sich wie einer, der nach langer Duerre im Platzregen ersaeuft. Die Waffen gestreckt. Hilflos. Dabei hasst er es, machtlos zu sein. Sich einfach nur zu ergeben, faellt ihm schwer. Darf er einfach nur "Danke" sagen, annehmen, wenn sie ihn mit Wohltaten ueberschuettet? Wenn er ihr von seinen Sorgen berichtet in diesem fremden Land, von den Dingen die schief laufen. Kurze Zeit spaeter setzt sie Himmel und Hoelle in Bewegung, um Loesungen moeglich zu machen. Was kann er fuer sie tun? Der Wunsch, etwas wieder gut zu machen, waechst ins Unermessliche. Fuer diese Frau, die so ungewoehnlich ist, wie es ihr Name bedeutet. Was findet sie nur an ihm, dem alternden, grossen Jungen mit ergrauten Schlaefen und dem viel zu ueppigen Bauch? Da ist diese Verbindung, tief und unerklaerlich, die ihm das Gefuehl gibt, in ihrer Naehe ein besserer Mensch zu sein. Die sein Leben heller macht. Als wuerde ploetzlich die Sonne scheinen, mitten in der Nacht. Die traeumen laesst, vom Schoenen und vom Guten. Die nicht von dieser Welt ist, obwohl sie doch mitten im Alltag stattfindet. Wie soll man so etwas "wieder gut machen"? Wo es doch alles andere als schlecht ist. "Seelenkrampf der Gluecksversehrten" hiess das einst bei der "Ersten Allgemeinen Verunsicherung"...
weihouke - 26. Okt, 04:25