"zhong guo wo lai le!"

Gerade noch hatte er Berichte über Unruhen in Xinjiang gelesen. Über den Aufstand der Uiguren. Da klingelt es an der Tür: Der Vertrag ist da. Nun ist es amtlich. Mitte August geht es nach China. In eines der widersprüchlichsten Länder dieser Erde. Schwellenland und Supermacht in einem. Wie wird es sich leben und arbeiten lassen in einem Staat, der Harmonie zum höchsten Gut erhebt und bei der kleinsten Störung mit harter Hand reagiert? Die offizielle Einladung verweist auf die viele tausend Jahre alte Kulturnation. Rote Stempel, rote Schriftzeichen - schön und fremdartig zugleich. Eine Mischung aus Peking-Oper und kalligraphischer Kunst. Ein Arbeitsvisum zu beantragen ist eher Kulturrevolution. Hier zeigen sich Züge eines ausufernden Bürokratismus, der deutschen Beamten das Herz im Leibe hüpfen ließe. Zum Beispiel der geforderte Gesundheitscheck. Nein, er hat keine Syphilis, kein AIDS, keine Tbc. Auch mit Cholera oder einer Psychose kann er nicht dienen. Das Ganze so umfangreich wie bei Christiano Ronaldo vor Amtsantritt bei seinem neuen Arbeitgeber. Aber hier geht es nicht um Spanien, sondern um China. Und nicht um einen Fußballstar, sondern um einen Deutschlehrer. Vom Gehalt ganz zu schweigen. Zumal jetzt schon klar ist, dass die ganze Prozedur in China wiederholt wird. Samt Röntgenstrahlenbeschuss und unfreiwilliger Blutspende. Wohlgemerkt: Nach der einwöchigen Quarantäne wegen möglicher Schweinegrippe. Die Befunde deutscher Ärzte könnten ja gefälscht sein. Die Volksrepublik schützt ihre Bürger. Schliesslich hat man schlechte Erfahrungen mit “laowai” (Ausländern). Man denke nur an die Briten und die Opiumkriege. Seufzend beugt er sich dem bösen Spiel. Schließlich geht es darum, vor dem fünfzigsten Geburtstag noch ein Abenteuer zu erleben. Eigenes, selbst erlebtes Wissen zu sammeln über eine aufstrebende Nation. Anzuknüpfen an die Faszination Fernost aus der fernen Kindheit. Die Strapazen werden bald vergessen sein: “Zhong guo wo lai le” (China, ich komme!)
weihouke - 8. Jul, 14:31